Regionales

Viessmann, Allendorf

Politisch induzierter Strategiewechsel

Viessmann, die Nr. 1 im deutschen Heizungsbau, verkauft sein Klima-Kerngeschäft an den US-Konzern Carrier Global. Das ist politisch induzierter ein Strategiewechsel.

Ausverkauf im deutschen Mittelstand?

11 Milliarden Euro werden als Kaufpreis genannt, davon 80 Prozent in bar und der Rest in Aktien von Carrier Global. Die Familie macht Kasse und gibt rund 85 Prozent ihres Traditionsunternehmens auf. Das durch die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes politisch verordnete Aus der Öl- und Gasheizung und der wenig technologieoffene Fokus auf die Wärmepumpe fordern wohl schon jetzt ihren Tribut. Am Standort von Viessmann in Allendorf herrscht große Unsicherheit.

Der deutsche Mittelstand mit seinen über 1.000 Weltmarktführern in vielen technischen Nischenmärkten ist bisher der Motor des deutschen Wohlstands. In Zeiten von globaler Geldflutung, Wachstumsschwäche im Westen und mangelnden Investitionsfeldern weckt er aber auch Begehrlichkeiten von Konzernen und Investoren vor allem aus den USA und China. Eine Reihe von Mittelständlern haben bereits verkauft, wie z. B. HELLA, Birkenstock, Steigenberger, Allgaier und Kuka. Jetzt auch Viessmann.

Politik bestimmt Strategiefelder

In einer Marktwirtschaft bilden sich normalerweise Innovationen durch Pioniergeist und Nachfrage heraus. Das Auto, die Waschmaschine und das iPhone z. B. waren geniale Erfindungen, die keiner politischen Hilfestellung bedurften. Der Markt war und ist begierig danach. Seit einigen Jahren dreht sich aber der Wind. Die EU-Bürokratie und die folgsame Politik in Deutschland greifen immer ungenierter in die Märkte ein und drängen Unternehmen mit ihren Gesetzen, Verordnungen und Subventionen in ideologisch motivierte Richtungen. Vordergründig geht es dabei um Klimaschutz und Energiewende, die vor allem in Deutschland mit der Brechstange umgesetzt wird. Wie der Fall Viessmann nun aber zeigt, geht es auch um handfeste ökonomische Interessen von globalen Konzernen und Investoren. Es ist kein Geheimnis, dass in Brüssel die internationalen Lobbyisten ein- und ausgehen. Sie sitzen mittlerweile auch direkt in den deutschen Ministerien.

Strategische Entscheidungen

In Deutschland befinden sich bereits wichtige Technologien wie Autos mit Verbrennermotoren und Kernkraftwerke im politischen Aus. Nun auch noch Öl- und Gasheizungen. Unternehmen wie Viessmann, Vaillant, Stiebel Eltron und Buderus (Bosch) müssen auf diese dirigistischen staatlichen Eingriffe reagieren. Viessmann hat sich offensichtlich für den Ausstieg und Verkauf entschieden. 

Vaillant scheint dagegen den Kampf um die Wärmepumpe in Deutschland aufnehmen zu wollen und investiert über eine Milliarde Euro in neue Werke, aber nicht in Deutschland, sondern in Osteuropa. Auch Bosch investiert lieber in Polen. Carrier Global, der neue Eigentümer von Viessmann, ist diesen Weg bei der Übernahme von Linde Kältetechnik 2004 auch gegangen und hat die Produktion aus Deutschland abgezogen. Dass hochbezahlte Industriearbeitsplätze im Heizungsbau auf Dauer in Deutschland verbleiben, ist daher unwahrscheinlich. Gefragt sein werden vermutlich eher schlechter bezahlte Monteure. 

Wettbewerbsvorteile

Wer im neuen deutschen Milliardenmarkt „Wärmepumpe“ zukünftig die Nase vorne haben wird, entscheiden neben Qualität und Preis vor allem die Markenbekanntheit und Vertriebskanäle. Bisher läuft der Vertrieb von Heizungen über den Großhandel und das Handwerk. Carrier Global hat sich mit Viessmann eine starke Marke und gleichzeitig den Zugang zu vielen Handwerkern gesichert. Doch diese Traditionsstrukturen sind nicht in Beton gegossen. 

Neue Plattformen wie Thermondo in Kooperation mit dem koreanischen LG-Konzern versuchen sich im Direktvertrieb. Hauseigentümer können dort direkt eine Wärmepumpe mit einem Einbau vor Ort bestellen. Thermondo wirbt mit dem flotten Spruch: „Der schnellste Weg zur Wärmepumpe - In nur 90 Tagen eingebaut!“. Auch andere asiatische Unternehmen wie Daikin, deren Kernkompetenzen aus dem Klimagerätebau sich leicht auf Wärmepumpen übertragen lassen, werden sich die attraktiven deutschen und europäischen Märkte nicht entgehen lassen. Ob chinesische Unternehmen im deutschen Heizungsmarkt Fuß fassen, bleibt abzuwarten. Bei der Photovoltaik haben sie es jedenfalls bereits geschafft, bei Autos dagegen bisher nicht. 

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